Geschwister gehen auf Tontaubenjagd
Wolfsburger Nachricten
11. Okt. 2022
Die Wolfsburger Nachrichten berichtete über Johanna und Hagen und ihre Sportkarriere
Wolfsburg. Es war nun ein ganz leises Klick-Geräusch. Aber Sportschützin Johanna Wedekinde wusste als gelernte Büchsenmacherin sofort: Da stimmt was nicht. Die 22-Jährige stand zu dem Zeitpunkt, "auf der Platte" bei den deutschen Meisterschaften im Schießsport Anfang September in München. Weil tatsächlich die Schlagbolzenfeder des Abzugs gebrochen war, reichte es für Johanna Wedekind am Ende nur für Platz 6.
Ihr Bruder, Hagen Wedekind, hingegen hatte in diesem Jahr einen Lauf: Mit seiner persönlichen Bestleistung von 122 von möglichen 125 Treffen gewann der 19-jährige Flintenschütze die Jugendsverbandrunde Ende Juli und holte sich weinge Wochen später am 2. September dann in der olympischen Disziplin, "Flinte Skeet" die Goldmedaille. Die Geschwister Wedenkind sind das Aushängeschild des Wurftaubenclubs Wolfsburg (WTC) von 1972, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feier. "Wir sind sehr stolz darauf, solche Talente in unseren Reihen zu haben", sagt Vorsitzender Hans-Heinrich Pröhl.
Disziplin und Trainingseifer
Geboren und aufgewachsein in Brunschweig, wo Johanna 2018 ihr Abitur an der IGS Volkmarode ablegt und Hagen seine Reifeprüfung 2022 am Gymnasium Neue Oberschule besteht, wird ihr beider Talent früh von ihrem Trainer Stephan Lange entdeckt und gefördert. Johanna ist 16 Jahre alt und schon in Besitz eines Jagdscheins, als sie zum WTC kommt, Hagen erst 13 und benötigt deshalb eine Sondergenehmigung.
"Wer so hochkarätig mitschießen möchte wie die beiden, benötigt neben Talent jede Menge Disziplin, Trainingseifer und vor allem den unbedingten Willen, sich bis ganz nach oben durchzukämpfen", weiß Stephan Lange. Die Geschwister gehören mittlerweile der deutschen Nationalmannschaft an.
Teures Vergnügen
Johanna ist seit 2018 im Landeskader Niedersachsen und seit Sommer 2019 zusätzlich im Bundeskader, zuerst bei den Junioren, seit Anfang 2020 bei den Erwachsenen. Hagen ist seit Anfang 2021 Mitglied des Bundeskaders(NK1) bei den Junioren 1. "Es ist ein wahnsinnig gutes Gefühl, wenn man in der Lage ist, binnen Sekunden ein fliegendes Objekt zu treffen. Das ist fast wie ein Sucht. Wenn ich drei Wochen im Urlaub war und nach Hause komme, fürht mich mein erster Weg sofort auf den Schießstand in Ehra", gesteht Johanna.
Um diese kleinen 70 Stundenkilometer schnell fliegenden, quietsch-orangefarbenen Tontauben noch sicherer zu treffen, opfern die beiden viel Zeit und Geld. So kosten beispielsweise 25 Schrotpatronen um die 7 Euro, Johannas Sportgerät hat einen Wert von 10.000 Euro. In diesem Jahr haben die Geschwister jeder etwa 15.000 Schuss abgefeuert. Beide erhalten Landes- znd Bundesfördermittel von den jeweiligen Schießsportverbänden.
Wenig Freizeit
Hinzu kommt, dass zwischen Wohn- und Trainingsort 50 Kilometer Distanz liegen. Auch die Fahrten zu den Wettkämpfen, den Trainingslagern und zu den fünfmal im Jahr stattfindenden Stützpunkt-Treffen müssen finanziert und zeitlich dargestellt werden. "Ich bin vier. bis fünfmal in der Woche in Ehra, wenn das Wetter schlecht ist, trainiere ich zu Hause am Simulator. Außerdem bin ich viermal in der Woche in Fitnessstudio", berichtet Johanna, die Kürze die Meisterschule in Ehingen an der Donau besuchen wird.
Urlaub und Freizeit haben die Geschwister wenig. "Man muss gewisse Opfer bringen", erklärt Hagen, der derzeit eine Ausbildung zum Büchsenmacher bei der Blaser GmbH in Isny im Allgäu absolviert. Was wollen die beiden noch perfektionieren? "Die Psyche und die Körperbeherrschung."
Johanna ergänzt: "Schießen ist reine Kopfsache. Ich weiß ja, dass ich theoretisch jede Schiebe treffen kann. Aber ich darf mich von den anderen nicht irremachen lassen. Im Grunde genommen muss mir alles egal sein. Wenn ich zu verbissen dran gehe, isr es sofort vorbei und ich fliege gleich raus."
Hagen: "Ich will meinen derzeitg stabilen Schießstil nicht verlieren. Du musst jede Taube wollen und volles Risiko gehen, dann funktioniert es."
Denn von dem einen ganz großen Ziel träumen beide: Sie wollen einmal in ihrem Leben bei den Olympischen Spielen dabeisein. Vielleicht ja schon 2028 in Los Angeles, in den USA.